Verbale vs. formalisierte Modelle: Beispiel Random-walk Modell
Das Ziel einer Modellierung sind Modelle, die Verhalten von Personen beschreiben und vorhersagen können. Der Abgleich zwischen Daten und Modell ist in der der folgenden Abbildung veranschaulicht.
Figure 1: Gegenüberstellung Daten vs. Modell; aus Farrell & Lewandowsky (2018), S. 40
Wir führen mit unseren Modellen Experimente durch (bei einem formalisierten Modell ist das eine Simulationsstudie, bei einem verbalen Modell ist das ein Gedankenexperiment) und leiten daraus Vorhersagen ab.
Ein Modell kann freie wie auch fest Parameter haben (z. B. Regressionsparameter im statistischen Modell, die entweder aus den Daten extrahiert werden oder vorher festgesetzt werden).
Die Vorhersage des Modells wird mit dem aktuellen Verhalten von Probanden, mit denen wir das Experiment gemacht haben, verglichen. Ein gutes Modell kann das Verhalten von Probanden gut beschreiben und neues Verhalten gut vorhersagen. Grade von “gut” lassen sich zum Beispiel über die Abweichung von vorhergesagten zu beobachteten Daten berechnen.
In der folgenden Tabelle werden die Vorteile von formalen Modellen im Vergleich zu verbalen Modellen beschrieben.
Figure 2: Vorteile formale Modelle; aus Farrell & Lewandowsky (2010), S. 330
Sind formale Modelle verbalen Modellen immer vorzuziehen? Wenn ja, wozu haben wir dann so viele verbale Modelle in der Psychologie?
Das Random-walk Modell kann eingesetzt werden, um Entscheidungen zwischen zwei (und mehr Optionen) und Entscheidungszeiten zu modellieren. In einer Diskriminierungsaufgabe sollen die Probanden entscheiden, ob in einer Abbildung mehr Striche nach links oder rechts geneigt sind. In der folgenden Abbildung sind ein paar Beispiele der Stimuli dargestellt.
Figure 3: Beispiel Stimuli; aus Smith & Vickers (1988), S. 156
Die Grundlegende Idee eines Random-walk Modells ist, dass die Probanden mit jeder Zeiteinheit (x-Achse) Evidenz (y-Achse) sammeln (d.h., Striche bei einzelnen Positionen im visuellen Feld abscannen). Bei beutungsarmen Stimuli sollte die Evidenz für jede Option (rechts vs. links geneigt) gleich groß sein (also bei 0 starten). In jeder Zeiteinheit wird von einer Normalverteilung mit einer mittleren Driftrate zufällig ein Sample gezogen. Die Drift Rate gibt an, wie stark der Stimulus für die eine oder andere Option spricht. Wenn ein Random-walk die obere oder untere Entscheidungsgrenze überspringt, ist der Durchlauf eines Durchgangs komplett simuliert. Es lassen sich dann die Entscheidung und die Entscheidungszeit ablesen. Das Random-walk Modell ist in der folgenden Abbildung dargestellt:
Figure 4: Random-Walk Modell; aus Farrell & Lewandowsky (2010), S. 331
Das Modell ist recht simpel. In jeder Zeiteinheit wir per Zufall (daher “random”) ein Wert aus einer Normalverteilung gezogen, die einen Mittelwert von 0 (= kein Drift) oder einen Mittelwert größer 0 (= Drift) hat. Im Beispiel unten sehen Sie die Normalverteilung mit einem Drift von 0 und einem Drift von .03.
Figure 5: Dichteplot der Normalverteilung mit Mittelwert = 0 (blau) oder Mittelwert = .03 (rot) und SD = .3
Spielen Sie mit der interaktiven App des Random-walk Modells unten. Im ersten Schritt verändern wir keine Einstellungen. Beschreiben Sie die Verteilung der Reaktionszeiten für die verschiedenen Antwortoptionen.
Man könnte der falschen Intuition aufsitzen, dass eine Driftrate ungleich 0 zu schnellen richtigen Entscheidungen und langsamen falschen Entscheidungen führt. Das zugehörige (falsche) mentale Modell ist hier abgebildet:
Figure 6: Falsche Intuition beim Random-Walk Modell; aus Farrell & Lewandowsky (2010), S. 333
Verändern Sie in der App die Driftrate. Wie sieht die Verteilung der Reaktionszeiten aus? Wieso sieht die Verteilung so aus?
In Diskriminierungsexperimenten wie oben beschrieben können jedoch korrekte Antworten im Vergleich zu falschen Antworten schneller oder langsamer sein. Das bisher beschriebene Random-walk Modell kann die Daten ais solchen Studien also nicht gut beschreiben.
Verändern Sie in der App die Streuung der Driftrate und die Streuung um den Startpunkt. Wann erhalten wir schnelle, wann langsame korrekte Antworten?